Die Frage, ob die Digitalisierung zu einer nachhaltigen Wirtschaft führt, beschäftigt uns seit der Einführung der ersten Computer am Arbeitsplatz. Die Prognosen damals lauteten, dass bis zum Jahr 2000 das Papier aus den Büros verschwunden sein wird. Die Realität zeigte aber genau die gegenteilige Entwicklung, mehr Computer sorgen für immer mehr Ausdrucke. Der Papierverbrauch ist heute so hoch, wie nie zuvor.
Dieses Dilemma macht sehr gut deutlich, mit welchen Herausforderungen wir bei der Einführung digitaler Technologien aus Sicht der Nachhaltigen Entwicklung zu kämpfen haben. Auf der einen Seite führen neue Technologien zu Effizienzgewinnen zum Beispiel in der Produktion, auf der anderen Seite, werden diese im Markt oft durch einen günstigeren Preis weitergegeben und sorgen umgekehrt für eine erhöhte Nachfrage. Dieser so genannte „Rebound-Effekt“ führt dazu, dass wir heute deutlich mehr konsumieren und damit weiterhin mehr Ressourcen verbrauchen.
“Bislang ist es noch nicht gelungen, Nachhaltigkeit als Treiber eines gesellschaftlichen Umdenkens zu etablieren.”
Die Klimadebatte des Jahres 2019 könnte sich hier als historischer Wendepunkt herausstellen. Erstmals ist das Thema Nachhaltigkeit so in der breiten Öffentlichkeit diskutiert worden, dass nicht nur alle politischen Parteien, sondern sogar Unternehmen das Thema weit oben auf ihre Agenda gesetzt haben. Denken wir nur daran, dass VW in nicht mehr allzu ferner Zukunft nur noch Elektroautos bauen will oder der BAYER Konzern sogar bis 2030 ein klimaneutrales Unternehmen werden möchte. Dies führt zu massiven Veränderungen im Bereich der Mobilität, aber auch unserer industriellen Fertigung, wie zum Beispiel mit Industrie 4.0.
Diese Zielstellung der großen Unternehmen führt mittelbar zu ganz konkreten Anforderungen an die mittelständisch geprägte Zulieferindustrie. Überzeugend glaubwürdig kann ein Unternehmen nur sein, wenn auch seine gesamte Wertschöpfungskette nachhaltig organisiert ist. Das bedeutet, dass sich die Unternehmen schnellstmöglich mit der Frage beschäftigen müssen, welchen Beitrag sie zu einer nachhaltigen Wertschöpfung leisten können. Hierzu bietet die Digitalisierung der Fertigung und Geschäftsprozesse ein großes Potenzial, vorausgesetzt, man plant die Digitalisierung von Anfang an im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung.
Der bereits erwähnte Trend zur nachhaltigen Entwicklung wird durch ganz konkrete Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen untermauert. Insgesamt 17 Ziele (Social Development Goals SDG) sollen eine nachhaltige Entwicklung auf unserem Planeten ermöglichen. Dazu zählen soziale Ziele wie Armut und Hunger bekämpfen, aber auch Zugang zu Bildung ermöglichen und dezentes wirtschaftliches Wachstum schaffen. Natürlich sind sowohl der Klimaschutz als auch der Schutz des Lebens im Wasser und an Land ebenfalls wichtige Ziele.
Nicht alle Trends rund um die Digitalisierung zahlen positiv auf die nachhaltige Entwicklung ein. Dies gilt in erster Linie für die digitale Infrastruktur. Jeder Klick im Internet verursacht irgendwo auf der Welt einen Stromverbrauch. Stellen wir uns einen urbanen Raum mit hunderttausenden von Sensoren vor (Kameras, Bewegungsmelder etc.) und Netzinfrastruktur wie WLAN-Antennen und 5G, die alle Strom benötigen, erscheint die Diskussion um energieeffiziente Straßenbeleuchtung geradezu kleinlich. Ein weiterer Zielkonflikt ist der Rebound-Effekt, der durch den zunehmenden Trend zu Individualisierung gefördert wird. Die immer schnellere und günstigere Verfügbarkeit von Produkten sorgt für mehr Elektroschrott und Plastikabfall sowie zunehmende Logistikkosten. Ebenso steht die geforderte Flexibilisierung von Wertschöpfungsketten einer nachhaltigen, langfristigen Entwicklung entgegen.
Im Gegensatz zu den Zielkonflikten zeigen die Synergiepotenziale und gemeinsamen Handlungsfelder auf, inwieweit Digitalisierung einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten kann. Da ist vor allem die Transparenz von Produktionsprozessen zu erwähnen, mit denen zum Beispiel ein CO2-Footprint ermittelt werden kann. Transparenz ermöglicht hierbei die Identifikation von großen Ressourcenverbrauchern sowie eine Effizienzsteigerung der eingesetzten Mittel. Als gemeinsames Handlungsfeld sollte der digitale Wandel auf allen Ebenen dazu genutzt werden, ein Verständnis für die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und an deren Erreichung mitzuwirken.
Nicht alle Ziele können gleichermaßen von Unternehmen mit Hilfe digitaler Technologie unterstützt werden, aber vor allem in Bezug auf digitale Geschäftsprozesse lassen sich acht Ziele identifizieren, die für die Unternehmen relevant sein sollten. Folgende Ziele sind meines Erachtens für die Unternehmen besonders relevant:
Darüber hinaus können digitale Technologien branchenspezifisch einen großen Beitrag leisten, zum Beispiel im Gesundheitswesen, im Bereich von Smart Cities oder in der Landwirtschaft.
Unternehmen können nicht von heute auf Morgen ihre Produkte und Prozesse umstellen. In vielen Bereichen fehlen auch noch die notwendigen Technologien, um ganz nachhaltig zu agieren. Dennoch ist es wichtig, sich dem Thema zu stellen, um auf künftige Anforderungen seitens der Kunden und Mitarbeiter vorbereitet zu sein.
Das bedeutet vor allem, dass die Unternehmen auf die Entwicklungen bei ihren Kunden achten sollten, inwiefern die nachhaltige Entwicklung bereits eine Rolle spielt. Darüber hinaus sollten Unternehmen selbst aktiv werden und zum Beispiel bei Neuinvestitionen den Ressourcenverbrauch und das Optimierungspotenzial berücksichtigen.
Schließlich helfen auch langfristige Ziele, wie zum Beispiel die Umstellung auf regenerative Energien, die heutigen Entscheidungen im richtigen Kontext zu bewerten. Dabei ist aber immer zu beachten, dass Nachhaltigkeit für die meisten Unternehmen kein Selbstzweck ist. Vielmehr gilt es herauszufinden, wie sich durch eine Orientierung an den Nachhaltigkeitszielen ein Wettbewerbsvorteil für die Unternehmen erarbeiten lässt, zum Beispiel durch neue Produkte oder effizientere Prozesse.
Den digitalen Wandel mit der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen zu kombinieren ist eine große Chance, die sich mit kleinen Schritten realisieren lassen:
Dr. Alexander Bode
#einfachmachen