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Künstliche Intelligenz und Ethik – gibt es natürliche Grenzen für digitale Technologien?

D ie Künstliche Intelligenz (KI) ist eine Schlüsseltechnologie im digitalen Zeitalter. Kaum eine Technologie ist so hilfreich und gleichzeitig so umstritten. Fast jeder Mensch nutzt mittlerweile Software mit KI-Algorithmen und dennoch machen sich viele Menschen Sorgen, um ihren Job oder ihre Privatsphäre, bei dem Gedanken, dass KI in viele unserer Lebensbereiche Einzug hält.

Für viele Menschen erscheint KI deshalb so fremd, da sie nicht nachvollziehen können, wie KI agiert und zu Ergebnissen kommt. Die Wenigsten kennen die Technologie und ihre Funktionsweise gut genug, um zu verstehen, was sich in Geräten und Applikationen unter Anwendung von KI-Algorithmen abspielt.

Dabei nutzen wir an ganz vielen Stellen bereits die technologischen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz in unterschiedlicher Ausprägung. Sei es bei der Spracherkennung im Smartphone, bei der Ermittlung des günstigsten Preises bei der Online-Bestellung oder bei der Stauumfahrung im Navigationsgerät.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bewältigung der Datenmengen in Zukunft ohne selbst lernende Algorithmen nicht effizient möglich ist. Betrachten wir die Möglichkeiten, die sich durch KI ergeben, sehen wir enorme Potenziale. Gleichzeitig sollte man sich vor Augen führen, dass eine KI nichts anderes macht, als basierend auf mathematischen Verfahren Muster zu identifizieren und diese Muster zu Entscheidungszwecken anzuwenden.

Wie beschränkt die heutige Technologie im Vergleich zum menschlichen Gehirn ist, zeigt das Beispiel mit Katzen- und Hundebildern. Eine KI benötigt mehr als 1 Millionen Bilder um mit ziemlicher Sicherheit eine Unterscheidung vornehmen zu können. Ein kleines Kind kann diese Unterscheidung schon nach wenigen Beobachtungen sehr sicher treffen. Ähnlich verhält es sich mit dem Anlernen von Bewegungen, die einem Roboter deutlich schwieriger fällt. Viele hunderttausende Wiederholungen sind notwendig, wo ein Mensch zum Anlernen neuer Bewegungen nur 1.000 – 2.000 Wiederholungen benötigt.

Konkrete Anwendungsszenarien zeigen die Potenziale auf

Die Plattform Lernende Systeme (PLS) hat umfangreiche Anwendungsfälle erarbeitet, in denen der Einsatz von KI im Alltag in den unterschiedlichsten Bereichen aufgezeigt wird. Ein Beispiel ist der Einsatz von KI im Verkehrssektor, sowohl im Personenverkehr als auch in der Logistik. In einer vernetzten Wirtschaft führt KI zur besseren Nutzung der Fahrzeuge und Infrastruktur und hilft zum Beispiel Staus und Verzögerungen zu vermeiden.

Noch offensichtlicher wird der Einsatz bei KI im Medizinbereich. Schon heute gibt es erste Anwendungsfälle im Bereich der Krebserkennung, z.B. bei Hautkrebs. Künftig könnte die Krebserkennung und Therapieempfehlung durch KI die Überlebens- und Heilungschancen der Betroffenen deutlich verbessern. Ähnlich ist es auch beim Einsatz von KI in der Koordination von Rettungseinsätzen. Mit umfangreichen Daten gefüttert, kann ein KI-Algorithmus vor allem in kritischen Situationen schnell Entscheidungsempfehlungen geben und dort helfen, wo jede Sekunde zählt.

In einem Punkt haben alle Anwendungsszenarien etwas gemeinsam: der größte Effekt entsteht dann, wenn künstliche Intelligenz und menschliche Intelligenz eng zusammenarbeiten. KI kann keine Entscheidungen treffen, sondern einen Menschen bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Dabei kann KI auf ganz andere Datenmengen zurückgreifen und in enormer Geschwindigkeit Analysen vornehmen, deren Ergebnisse wiederum dem Menschen mit seiner Erfahrung zur Verfügung stehen.

Woher kommt das künstliche „Wissen“?

Wie jede Technologie ist auch eine KI grundsätzlich wertneutral und agiert ohne Erfahrungswerte. Im Fall von lernenden Systemen eignet sich ein Algorithmus mit Hilfe von Trainingsdaten Erfahrungswerte an und setzt sie in vergleichbaren Situationen wieder um. Dabei ist die Leistungs- und Entscheidungsfähigkeit einer KI stark von den Daten abhängig, mit denen sie trainiert wurde.

Eine Gesichtserkennungssoftware, die in Asien entwickelt und trainiert wurde, ist in Europa wahrscheinlich nicht einsatzfähig. Grundsätzlich gilt, dass ein unausgewogenes Trainingsmaterial zu diskriminierenden Effekten führen kann. Ähnlich wie ein Chatbot mit KI-Technologie sich irgendwann eine beleidigende Sprache angewöhnt, wenn er dauernd beschimpft wird und versucht darauf zu reagieren.

Für den Einsatz von KI bedeutet dies, dass die Auswahl von Trainingsdaten ein ganz wichtiger Baustein ist, um einen KI-Algorithmus richtig zu entwickeln. Gleichzeitig sollten beim Einsatz von KI, Grenzen definiert werden, anhand derer festgestellt wird, ob sich eine KI noch in dem für sie vorgegebenen Rahmen bewegt.

Normungsbedarfe und Risikoabwägung

Vor allem die Frage der Vorgaben für KI-Algorithmen beschäftigt die Politik und Organisationen wie das Deutsche Institut für Normung (DIN). Im vergangenen Jahr wurde aus diesem Grund ein Prozess gestartet, in dem zu unterschiedlichen Schwerpunkten an einer Normungsroadmap KI gebaut wird. Ziel ist es, den Rahmen für Standardisierung und Normierung von Künstlicher Intelligenz und ihren Anwendungsfällen zu schaffen, sodass der Einsatz von KI unter vertrauenswürdigen Bedingungen für den Verbraucher möglich wird.

Ein wichtiger Punkt ist in diesem Fall die Transparenz, bzw. Offenlegung auf Basis von Dokumentationsstandards. Damit soll sichergestellt werden, dass eine KI immer erklärbar bleibt. Durch das Einhalten von vorgegebenen Standards sollen regulatorische Offenlegungspflichten vermieden werden. Hierzu zählt die Nachvollziehbarkeit, mit welchen Daten ein KI-Algorithmus trainiert wurde, sodass die Empfehlungen einer KI immer vor dem Hintergrund ihrer bisherigen „Erfahrungen“ nachvollzogen werden können.

Diese Forderung ist natürlich sehr abstrakt und sicherlich nicht für jeden Einsatz von KI abbildbar. Dazu sollte eine Unterscheidung des Einsatzes von KI in verschiedenen Risikoklassen vorgenommen werden. In diesem Fall ist die Risikobewertung der Schaden multipliziert mit der Eintrittswahrscheinlichkeit.

Um es konkret an einem Beispiel festzumachen. Eine nicht optimale Empfehlung für ein Kaufangebot von einem Verbrauchsartikel führt maximal zu einem geringen Schaden. Während bei einer fehlerhaften Krebsdiagnose ein Menschenleben konkret in Gefahr gerät.

Durch eine ausgewogene Auswahl von Trainingsdaten soll sichergestellt sein, dass es in kritischen Situationen nicht zu diskriminierendem Verhalten kommt. Letztendlich wird es aber nicht möglich sein ein perfektes System zu bauen, das frei von Fehlern ist. Die berühmte Frage von KI im autonomen Fahren, ob man sich im Fall der Fälle für das Umfahren einer älteren Dame oder eines Kindes entscheidet, ist daher irreführend. Wichtig ist, dass die KI im Durchschnitt deutlich besser ist, als der Durchschnitt rein menschlicher Entscheidungen. Dann kann es gelingen, zu KI entsprechendes Vertrauen aufzubauen.

Gestaltungsspielraum für die Politik

Das theoretisch mögliche Versagen von KI in bestimmten Entscheidungssituationen darf keinesfalls dazu führen, dass ein Gesetzes- und Regulierungsrahmen geschaffen wird, der Innovation im Keim erstickt. Wir haben auch in der Vergangenheit akzeptiert, dass es neue Technologien gibt, die neben einem unbestrittenen Mehrwert auch dazu führt, dass Menschen zu Schaden kommen. Das Auto ist ein Beispiel, dass unser heutiges mobiles Leben erst ermöglicht, umgekehrt aber jährlich zu Millionen Verkehrsunfällen und tausenden Toten führt, zum Teil auch von Personen, die das Auto gar nicht nutzen (z.B. Fußgänger).

Ähnlich wie bei dem Versuch der Standardisierung und Normung, sollte ein verlässlicher Rahmen geschaffen werden, auf dem man aufbauen und vertrauen kann. Dazu zählt, dass ein Anspruch auf Erklärbarkeit geschaffen werden sollte, der sich im Fall der Fälle für bestimmte Risikoklassen auch juristisch durchsetzen lässt.

Bei der Definition von Risikoklassen sollte immer das erwartbare Risiko in Kombination mit einem möglichen Schaden angenommen werden und nicht der maximal theoretisch vorstellbare Schaden. Darüber kann den Menschen ein vernünftiges Koordinatensystem im Umgang mit KI gegeben werden.

Ich bin davon überzeugt, dass Regulierung und Gesetzgebung sich an die dynamische technologische Entwicklung anpassen sollte. Es bedarf künftig also weniger starrer Regelungen, die für Generationen festgeschrieben sind, sondern vielmehr flexibler Lösungen, die der schnell voranschreitenden Entwicklung gerecht werden.

Womit fangen Sie morgen an?  

Künstliche Intelligenz ist die Zukunftstechnologie die auf absehbare Zeit in die meisten Software Anwendungen eingebaut wird. Ideen für selbstlernende Systeme sind nahezu grenzenlos und können im Zusammenspiel mit menschlicher Intelligenz ein riesiges Potenzial freisetzen.

Für Sie als Unternehmen bedeutet dies, dass Sie sich mit dieser Technologie auseinandersetzen sollten:

  1. Lesen Sie sich die Anwendungsszenarien für lernfähige Roboterwerkzeuge in der Montage oder den Information-Butler fürs Büro durch und vollziehen Sie möglichen Einsatz von KI in Ihrem Unternehmen nach.
  2. Entwickeln Sie mit Ihren Mitarbeitern Ideen, an welchen Stellen Ihre Produkte und Dienstleistungen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz noch besser werden könnte.
  3. Schauen Sie sich gezielt an, für welche menschlichen Entscheidungen oder in welchen Entscheidungssituationen in Ihrem Unternehmen der Einsatz von KI eine große Unterstützung wäre.
  4. Starten Sie ein Pilotprojekt zum Beispiel in Kooperation mit einer Universität in Ihrer Nähe oder mit Unterstützung durch ein Start-up, was sich mit neuen KI-basierten Produkten und Dienstleistungen beschäftigt.
  5. Bringen Sie sich als Unternehmer in Ihren Netzwerken oder Verbänden zum Thema KI ein. Ihre Meinung ist wichtig in der Auseinandersetzung mit dieser richtungsweisenden Technologie.

KI-Technologie ist am Ende des Tages wie Strom, es wird irgendwann aufgrund der umfangreichen Vorteile (fast) überall drin sein. Das bedeutet für Sie und Ihr Unternehmen, dass sie langfristig nicht ohne KI-basierte Produkte oder Dienstleistungen auskommen werden. Je früher Sie sich damit befassen, umso besser.

 

#einfachmachen

 

Dr. Alexander Bode