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Am Anfang steht der Prozess, nicht die Software

N eue Geschäftsmodelle, geändertes Konsumverhalten und digitale Technologien führen zu enormen Veränderungen entlang der Wertschöpfungskette. Diese Veränderungen betreffen alle Kern- und Teilprozesse in Unternehmen. Gleichzeitig ergeben sich neue Kooperationsmodelle, welche ganz neue Chancen für den Mittelstand bieten.

In der Vision vollständig digitaler Prozesse steuert eine Software den gesamten Ablauf des Produktionsprozesses und kümmert sich um die Bestell- und Liefervorgänge. Die Aktivitäten werden durch eine automatisierte Maschine-zu-Maschine Kommunikation transparent. Mitarbeiter müssen nur noch in die Prozesse eingreifen, wenn Störungen einen reibungslosen und effizienten Betrieb verhindern.

Viele Mittelständler, die zum Teil durch Industrie 4.0 Bemühungen ihrer Kunden bereits mit der Digitalisierung konfrontiert sind, sind weder Softwareseitig noch mit ihren Prozessen darauf eingestellt. Die Konsequenzen aus Industrie 4.0 sind vielfältig und betreffen nicht nur die einzelnen Unternehmen, sondern die ganze Branche: Starre Produktionsanlagen werden durch flexible Systeme ersetzt, neue Dienstleistungsunternehmen werden integraler Bestandteil der Industrie, selbststeuernde agile Systeme lösen hierarchische Systeme ab und das Datenmanagement wird ein essentieller Wertschöpfungsfaktor.

Diese Herausforderungen lassen sich nicht einfach mit der Einführung einer neuen Software lösen, sondern bedürfen einer ganzheitlichen Betrachtung aller Prozesse im Unternehmen. Wie die untenstehende Befragung zeigt, sind neben der Einführung neuer Softwaresysteme vor allem Faktoren wie die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit oder die Ausbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wesentliche Erfolgsfaktoren.

Immerhin sehen nur die wenigsten Unternehmen in der Digitalisierung eine wirkliche Bedrohung, sodass es in jedem Fall wert ist, sich intensiv mit den Chancen für die eigenen Prozesse auseinanderzusetzen.

Was bedeutet „ganzheitliche Betrachtung“?

Wie bereits in der Vision dargelegt, betrifft die Digitalisierung alle Bereiche im Unternehmen. Es macht daher wenig Sinn, zum Beispiel eine einzelne Softwarelösung für einen Teilprozess einzuführen, wenn dadurch andere Bereich weiterhin analog betrieben werden. Aus dem Beratungsgeschäft mit Mittelständlern kenne ich aber genau diese Vorgehensweise.

Ein kleines Unternehmen ist auf der Suche nach einem neuen Warenwirtschaftssystem, da es mit der Auftragsverarbeitung aufgrund langer Suchzeiten und geringer Servicequalität unzufrieden ist. Im Gespräch zur Auswahl der Software kommt aber das eigentliche Problem zum Vorschein: im gesamten Bestell- und Abwicklungsprozess sind nicht weniger als vier Medienbrüche vorhanden. D.h. von der Bestellung der Ware bis zur Auslieferung werden Daten entweder digitalisiert oder manuell wieder ausgelesen, mit allen Fehlerpotenzialen und Ineffizienzen die dieser Prozess beinhaltet.

In so einem Fall wird offensichtlich, wie wertvoll eine ganzheitliche Betrachtung entsprechend des Business-Process-Management ist(BPM-Ansatz). Ziel dieses Ansatzes ist es, Wertschöpfungsketten ganzheitlich zu optimieren und damit auf flexible Kundenwünsche qualitätsgerecht zu reagieren. Dies geht innerhalb der Unternehmen nicht nur mit einer Prozessveränderung einher, sondern zieht auch in der Organisation Veränderungen nach sich. Bestehende Hierarchien werden überwunden, die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen wird gefördert und funktionale Schnittstellen werden überwunden.

Eine Organisation 4.0 bedeutet aber auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden und die Organisation so strukturiert ist, dass es sich um ein lernendes System handelt. Erfolgreiche Prozessdigitalisierung mündet schließlich in ein flexibles System, das auf Anforderungen der Kunden schnell reagieren kann.

Wie kann ich das bei mir im Unternehmen umsetzen?

Zunächst einmal ist zu überlegen, welche Prozesse aus Sicht des Unternehmens den dringendsten Bedarf verursachen. Wo gibt es konkrete Probleme oder Ineffizienzen, die behoben werden müssen. Im nächsten Schritt sollten sich die Unternehmen damit befassen, ob es sich dabei um interne Prozesse handelt, die digitalisiert werden sollen oder ob diese eingebunden sind in die Supply Chain, die eine Einbeziehung von Lieferanten oder Kunden notwendig macht  (vertikale Integration). Ziel ist, dass der gesamte Prozess Ende-zu-Ende digitalisiert ist und keine Medienbrüche die Abwicklung behindern.

Dies bedeutet, dass alle Automatisierungskomponenten von den Maschinendaten bis hin zur Leitungsebene miteinander verknüpft werden. Den strategischen Ansatz dazu liefert ein Bezugs- und Ordnungsrahmen, der ein ganzheitliches Prozessmanagement abbilden kann. Hierzu bietet sich für viele produzierende Unternehmen das MITO-Modell an, das systematisch die Bestandteile eines Geschäftsprozesses gemäß der DIN EN ISO 9001 Definition beschreibt.

Das Modell beinhaltet vier Modellsegmente Management, Input, Transformation und Output und liefert damit einen prozessorientierten Ansatz, der dann von einer Software abgebildet werden kann. Wenn es dem Unternehmen gelingt, diese prozessualen Schritte in der Organisation umzusetzen, erhält man nicht nur ein effizientes, sondern auch ein lernfähiges System.

 

Womit fangen Sie morgen an?

Der Aufbau neuer Prozesse und Strukturen ist immer sehr komplex und wirkt entsprechend abschreckend für viele Unternehmen. Dabei ist der erste Schritt zur Prozessdigitalisierung nicht so aufwendig, wie viele vielleicht befürchten. Für den Mittelständler lautet die zentrale Frage, wie sie den Einstieg in die Digitale Transformation schaffen, ohne sofort das ganze Unternehmen mit nicht überschaubaren Investitionen umzubauen.

Dafür empfehlen sich möglichst konkrete Schritte:

  • Identifizieren und priorisieren Sie gemeinsam mit ihren Mitarbeitern Ineffizienzen (Zeitfresser) und Medienbrüche in ihren Prozessen.
  • Sprechen Sie mit ihren größten Kunden und Lieferanten welche Anforderungen ihrerseits zu den Prozessen in nächster Zeit auf Sie zukommen könnte.
  • Konzipieren Sie ein oder zwei Pilotprojekte, die sich auf Basis der Analyse umsetzen lassen, dafür eignen sich zum Beispiel: Vorausschauende Wartung / Instandhaltung, Fehlererkennung und Fehlerverfolgung, Werkstückverfolgung.
  • Starten Sie das Projekt ggf. mit externer Unterstützung und nutzen Sie dazu die vorhandenen Fördermöglichkeiten.

 


 

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