D ie Corona bedingten Maßnahmen haben vielen Unternehmen deutlich gemacht, wie stark das wirtschaftliche Handeln mittlerweile von weltweiten Lieferketten abhängig ist. Die Industrie und Logistik haben in den vergangenen Jahrzehnten die „Just-in-time“ Lieferketten immer weiter optimiert und Lagerbestände fast vollständig abgebaut. Selbst Unternehmen, die noch einen Großteil ihrer Wertschöpfung selbst erarbeiten, hatten in der Folge des weltweiten Lockdowns Probleme durch den Ausfall einzelner Komponenten. Insbesondere Zulieferungen aus Fernost konnten wochenlang nicht planmäßig geliefert werden.
War es also ein Fehler, die Globalisierung so weit zu treiben und selbst wichtige Komponenten seines Produkts auszulagern? Sicherlich nicht. Deutschland hat in massivem Maße von dieser weltweiten Vernetzung und Lieferung von Maschinen und Anlagen in andere Länder profitiert. Getrieben von immer weiterer Kostenersparnis wurde aber vergessen, die Risiken, wie die einer weltweiten Pandemie, in der Planung mit zu berücksichtigen.
Die aktuelle Krise ist also die Zäsur, die jedes Unternehmen nutzen sollte, seine Strategie anzupassen. Das leitende Motiv der Zukunft ist nicht mehr die günstigsten Kosten, sondern vielmehr die ständige Verfügbarkeit auch unter Unsicherheit sowie der Aufbau nachhaltiger Strukturen. Damit ist der Lockdown ein Treiber für eine Entwicklung, die bereits vor Corona eingesetzt hat: eine resiliente Gestaltung der Lieferketten hin zu einem flexiblen Netzwerk mit verlässlichen Partnern in Nah und Fern!
In diesem Artikel werde ich aufzeigen, welche Herausforderungen Unternehmen mit neuen Beschaffungsstrategien bewältigen müssen und wie selbst Mittelständler neue Technologien und die Digitalisierung zum Aufbau flexibler und stabiler Wertschöpfungsnetzwerke nutzen sollten.
In den 1990er Jahren setzte eine Outsourcing Bewegung ein, die vor allem kostengetrieben war. Manuelle Produktionsprozesse wurden ins Ausland verlagert und der Umbau von der Industrie- zur Dienstleistungswirtschaft war Gegenstand intensiver Diskussion. Vorreiter war hier die Bekleidungsindustrie, die ihre überwiegend manuellen Tätigkeiten frühzeitig auf Produktionsstandorte in Billiglohn-Ländern im Fernen Osten verlagerte.
Deutsche Unternehmen haben oftmals davor zurückgeschreckt, Standorte vollständig zu verlagern, was sich vor allem in den Krisenjahren 2009 / 2010 als sehr wertvoll herausgestellt hat. Die gute industrielle Basis mit eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten wurde zunehmend als Ausgangspunkt für weltweite Marktbearbeitung in regionalen Standorten genutzt. Dennoch gab es vor allem im Beschaffungsbereich eine zunehmende Abhängigkeit von internationalen Zulieferern. Diese hatten zwischenzeitlich soweit technologisch aufgeholt, dass auch anspruchsvollere Baugruppen zu guter Qualität und immer noch deutlich günstiger im Ausland beschafft werden konnten.
Die neuen Kommunikationswege über Internet und schnelle Datenverbindungen ermöglichen heutzutage eine pünktliche Logistik und Informationen in Echtzeit – auch über lange Lieferwege. Viele Prozesse waren dabei so eingeschwungen, dass die zuverlässige Lieferung über weite Entfernungen als selbstverständlich angesehen wurde. Die aktuelle Krise offenbart die Anfälligkeit dieses Systems. Künftig werden die Kosten nicht mehr der einzige Grund für eine Verlagerung sein.
Mit zunehmender Digitalisierung, die die Automatisierung von ganzen Geschäftsprozessen beschleunigt und gleichzeitig neue Anforderungen an die Flexibilität an die Unternehmen stellt, stoßen viele Unternehmen auf ein ganz neues Problem: fehlende Ressourcen. Es sind also nicht mehr nur kostengünstige Einkäufe, sondern strategische Beschaffungen, die die Unternehmen treiben.
Selbst wenn Unternehmen Digitalisierungsprojekte in Eigenregie durchführen wollen, haben Sie zum Teil gar keinen Zugriff auf die Anzahl benötigter IT-Fachleute, abgesehen von den hohen Kosten, die in Deutschland dafür entstehen. Die Sensibilität der IT-Themen erfordert auf der anderen Seite eine vertrauensvolle Kooperation, die weit über ein einfaches Lieferantenverhältnis hinausgeht.
Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Softwareprojekten. Ein deutsches Unternehmen, das sich mit der Vergabe eines IT-Projekts befasst, wird zum Beispiel in Indien suchen. Dort gibt es gut ausgebildete Programmierer, aber große geografisch-kulturelle Distanzen. Angefangen bei der Sprache bis hin zur Arbeitsweise, der Zeitverschiebung und dem Qualitätsverständnis. Bereits die englische Kommunikation zwischen nicht Muttersprachlern führt schnell mal zu Missverständnissen.
Eine Lösung für Mittelständler können Projekte mit Kooperationspartnern in Osteuropa sein, in denen die IT-Fachleute oftmals sogar Deutsch sprechen. Die Entfernung zum eigenen Standort ist nicht so weit, sodass man im Problemfall ohne großen Aufwand zu einem persönlichen Termin vor Ort anreisen kann und Zeitverschiebung gibt es keine.
Bleibt also die Frage, wie können Unternehmen künftig ihre Produkte und Ressourcen beziehen? Nur in Deutschland wird es nicht funktionieren, die alleinige Abhängigkeit weltweiter Lieferketten ist aber mit Blick auf die Risikoabwägung im Krisenfall ebenfalls keine Lösung. Es bleibt also der Aufbau von Wertschöpfungsnetzwerken, die mehr sind als Lieferanten-Kunden-Beziehungen. Gesucht werden Kooperationspartner, die flexibel sind, um ihre Kapazitäten den aktuellen Bedarfen anzupassen. Gleichzeitig reduziert der zunehmende Einsatz neuer Technologien, wie zum Beispiel Produktionsroboter und 3D-Druck, die Stückkosten selbst bei geringen Stückzahlen.
Der erste wichtige Schritt ist die Entwicklung einer Beschaffungsstrategie, die bereits die Pläne für digitale Produkte und digitale Prozesse einschließt. Zentrale Fragestellungen sollten sein, auf welche Vorprodukte und Ressourcen das Unternehmen am ehesten angewiesen ist. Weitere Aspekte sind Nachhaltigkeitsüberlegungen und schließlich auch die Kommunikation innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks.
Der Einkäufer im Unternehmen erhält damit eine umfangreiche Managementaufgabe, die eine wertschöpfende Wirkung im Unternehmen entfaltet. Er definiert auf Basis der Kriterien die Soll-Prozesse und wird innerhalb des Unternehmens zum Netzwerkmanager, der die richtigen Ressourcen innerhalb und außerhalb des Unternehmens zusammenbringt.
Wie bereits die einfache Beschaffung von Produkten aus anderen Ländern zeigt, ist der Aufbau eines Wertschöpfungsnetzwerks mit erheblichem Aufwand verbunden. Dazu zählt nicht nur der Strategieprozess, sondern in der Umsetzung die Auswahl geeigneter Netzwerkpartner, Investitionen in die Produktions- und Lagerstandorte sowie die Auswahl und Einführung digitaler Technologie.
Vor allem für Mittelständler erscheint dies eine nur schwer überschaubare Dimension. Umso mehr eignet sich das so genannte „Near-Shoring“ als Lösungsansatz für die komplexeren Beschaffungsvorgänge. Alles was nicht als Standardprodukt aus fernen Märkten bezogen und gelagert werden kann, sollte nahe dem eigenen Standort gesucht werden. Das erhöht die Flexibilität und vereinfacht die Kommunikation.
Eine weitere Herausforderung ist der Aufbau redundanter Strukturen. Ein Wertschöpfungsnetzwerk ist nur dann stabil, wenn es immer einen alternativen Pfad für den Fall des Ausfalls eines Lieferanten gibt. Das bedeutet, dass man immer zwei Lieferanten entwickeln und mit ihnen zusammenarbeiten muss.
Auch hier ist die Bekleidungsindustrie wieder Vorreiter. Aufgrund der kurzen Modezyklen werden viele Saisonartikel mittlerweile standortnah in Osteuropa oder der Türkei gefertigt. Lange Lieferzeiten über den Seeweg entfallen und die Modehersteller können noch während der Saison auf Nachfrageschwankungen reagieren. Diese Flexibilität wird zunehmend in der Industrie relevant, wenn wir bei Industrie 4.0 mittlerweile über Losgrößen von 1 diskutieren.
Meine Empfehlungen möchte ich unterscheiden in kurzfristige Maßnahmen, die alle Unternehmen nun durchführen sollten, um sich noch während der Krise stabil aufzustellen:
Mittelfristig sind weitere Investitionen notwendig:
Nur die Unternehmen, die frühzeitig in diese Richtung denken, kommen gut aus der Krise. Es wird noch einige Firmen im weiteren Verlauf der möglichen Rezession geben, die Schwierigkeiten bekommen und auch ein weiterer Lockdown ist zumindest in einzelnen Ländern nicht ausgeschlossen. Je schneller Sie sich als Unternehmen dafür rüsten, desto besser. Sie suchen für diese Herausforderung einen perfekten Begleiter? Dann vereinbaren Sie noch heute mit mir ein kostenloses 30minütiges Beratungsgespräch.