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Wo steht Deutschland im Bereich Künstlicher Intelligenz und was sollte die deutsche Wirtschaft jetzt tun?

Z ur Hannover Messe strömen wieder tausende Besucher aus dem In- und Ausland und begutachten vor allem das deutsche Ingenieur-Know-how in Form von selbst steuernden Robotern und steuernden Softwareplattformen. Eine Kerntechnologie ist dabei das maschinelle Lernen, ein Teilgebiet der so genannten „Künstlichen Intelligenz“. Schenkt man einigen Veröffentlichungen glauben, hängt Deutschland gerade in diesem Teil moderner Technologie hingegen weit hinterher. KI-Supermächte wie die USA oder China, aber auch Israel oder Südkorea scheinen uneinholbar enteilt, siehe dazu das Ergebnis des aktuellen VDE Tec-Report 2019.

Die Botschaft in Richtung deutsche Industrie ist klar, es besteht ein akuter Handlungsbedarf in diesem Bereich! Solche Apelle lassen sich medienwirksam vermarkten, die Botschaft gerade für den deutschen Mittelstand ist aber unklar oder sogar destruktiv. Viele Unternehmer etablierter Unternehmen fragen sich sicherlich, ob wir überhaupt noch eine Chance in diesem Themenfeld haben? Oder etwas optimistischer, wie können wir unsere Strategie und unsere Produkte mit Künstlicher Intelligenz versehen?

Schaut man sich die Ergebnisse dieser „Studien“ genauer an, stellt man schnell fest, das sie selbst auf einer äußerst unsicheren Datenbasis aufbauen. Im vorliegenden Fall sind gerade einmal 90 Unternehmen und 15 Hochschulen befragt worden, wie sie die Länder hinsichtlich des Themas „einschätzen“. Völlig unklar ist, ob diese Unternehmen und Hochschulen selbst im Bereich KI über ein ausreichendes Know-how verfügen, geschweige denn, einen qualifizierten Marktüberblick haben und was eigentlich die Parameter sind, anhand derer sie diese Einschätzung vornehmen. KI ist weiterhin nicht klar abgrenzbar, eine Einschätzung zum „Stand“ also selbst für Experten schwierig. Alles in allem also eine völlig ungenügende Betrachtung, um sich des Themas der Verortung Deutschlands in der Welt der Künstlichen Intelligenz zu nähern.

Die Bedeutung Künstlicher Intelligenz für die Wirtschaft ist nicht zu überschätzen

In einem Punkt stimmen die meisten Experten allerdings überein: Künstliche Intelligenz – in ihren unterschiedlichen Ausprägungen – ist die Schlüsseltechnologie für die Digitalisierung der Wirtschaft und wird in nahezu jedem Bereich Eingang finden, von der Produktion bis hin zu Servicedienstleistungen. Große Einigkeit besteht auch darin, dass Künstliche Intelligenz bis in ganz ferne Zukunft den Menschen nicht ersetzen wird, sondern die menschliche Tätigkeit in vielen Bereichen sehr gut ergänzen. Insgesamt werden Anwendungen basierend auf künstlicher Intelligenz es überhaupt nur möglich machen, die täglich wachsenden Datenmengen sinnvoll zu verarbeiten und uns Menschen damit in der täglichen Arbeit unterstützen oder das Leben für uns komfortabler machen.

Während gerade in Asien, aber auch in Nordamerika der Einsatz von künstlicher Intelligenz als der logische nächste Schritt der Menschheitsentwicklung betrachtet wird, verharrt Europa weiterhin mit seinen gewachsenen Strukturen, zum Beispiel in der Grundlagenforschung, in alten Mustern. Dem flächendeckenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz geht also voraus, dass sich die Menschen und die Unternehmen dem Potenzial der Technologie öffnen und qualifiziert damit umgehen.

Für die Wirtschaft bedeutet dies konkret, dass ein (größer werdender) Teil der Wertschöpfung in Kombination mit KI-Technologie erzielt wird und sich die Unternehmen daher so schnell wie möglich mit diesem Thema auseinandersetzen sollten. Panik im Angesicht vermeintlich anderer übermächtiger KI-Nationen ist aber gänzlich unangebracht und in diesem Fall auch kein guter Ratgeber.

Orientierung anstatt Aktionismus ist nun das Gebot der Stunde

Schauen wir uns im Detail an, über welchen Status wir im Bereich der KI sprechen: Wichtig ist meines Erachtens, dass nicht ein subjektiver Eindruck zur Bewertung der KI-Entwicklung in einem Land betrachtet wird, sondern auch quantitative Faktoren. Einen Versuch des Benchmarkings mit verschiedenen Indikatoren unternahm Cambrian im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sein KI- Index basiert auf drei Faktoren „Allgemeine Voraussetzungen“, „Forschung und Entwicklung“ und „Kommerzialisierung“. Dahinter verbergen sich Betrachtungen von Veröffentlichungen, Patenten, Startups, aber auch infrastrukturelle Faktoren wie Großrechner etc. In diesem Ländervergleich schneidet Deutschland gar nicht so schlecht ab, zwar ist zu den USA eine beachtliche Lücke, aber schon im Vergleich zu China ist dies alles andere als uneinholbar. Was vor allem auffällig ist, dass sich alle Länderprofile in ihrer Ausprägung deutlich unterscheiden. So fällt bei den Ergebnissen für Deutschland vor allem ein hoher Wert im Bereich der Kommerzialisierung auf. Dies bedeutet, dass es Deutschland offensichtlich gut gelingt, neue Technologien in Produkte zu überführen.

Genau hierin liegt die Stärke der deutschen Wirtschaft, ein starker Mittelstand, der flexibel ist, neue Technologien zu adaptieren und damit Geld zu verdienen. Bei allen Wünschen zu einer weltweiten Spitzenposition ist es in einer digitalen Welt von morgen vielleicht gar nicht mehr nötig, alles am besten zu beherrschen, sondern sich mit den richtigen Partnern zusammenzuschließen und von diesem Wissen für seine eigenen Produkte und Dienstleistungen zu profitieren.

Es geht also im nächsten Schritt darum, genau zu schauen, in welchen Bereichen Deutschland stark aufgestellt ist und in welchen Bereichen Partnerschaften mit anderen Ländern zum Thema KI sinnvoll sind. Diese Orientierung ist auch für die Unternehmen ganz wichtig, denn vor allem mittelständische Unternehmen haben nicht die Ressourcen, beliebig viele Dinge auszuprobieren.

Die Entwicklung und Umsetzung von KI Technologie ist alleine nicht einfach möglich. Der Standort Deutschland wird sich vor allem dann gut entwickeln, wenn es gelingt, ein Ökosystem zu schaffen, in dem KI im Zusammenspiel zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft gestaltet wird. Dies dient vor allem auch darum, Sorgen und Ängste der Menschen vor KI zu nehmen und den Nutzen für den Einsatz von KI in allen Bereichen des Lebens herauszuarbeiten.

KI in Strategie und Produkte einbringen

Die Orientierungsphase zum Thema KI darf aber nicht zum Stillstand im Unternehmen führen, dazu ist die technologische Entwicklung zu dynamisch, für die Unternehmen bedeutet dies akuten Handlungsbedarf in folgenden Schritten:

  1. Orientieren Sie sich in Ihrer Branche, welche Unternehmen vielleicht schon mit künstlicher Intelligenz arbeiten oder erste Lösungen entwickeln.
  2. Holen sie sich externe Unterstützung zur Orientierung, dies ist in vielen Bundesländern mittlerweile sogar gefördert (zum Beispiel die Digitallotsen in Baden-Württemberg).
  3. Informieren sie sich und verstehen Sie die gewaltigen Potenziale, die die neue Technologie mit sich bringt.
  4. Identifizieren Sie Themenfelder, in denen Sie mit künstlicher Intelligenz experimentieren wollen, die zu ihren Kernkomptenzen passen.
  5. Suchen Sie sich Partner, die ihnen bei den ersten Schritten der Umsetzung behilflich sein können, zum Beispiel Universitäten oder andere Unternehmen in ihrem Wertschöpfungsnetzwerk, die bereits erste Erfahrungen haben.

Womit fangen Sie morgen an?

Die Bedeutung von künstlicher Intelligenz ist so gravierend, dass sich jeder, vor allem in unternehmerischer Verantwortung, damit befassen sollte. Es geht letztendlich nicht darum, ein Informatikstudium zu starten, aber mit Hilfe eines Grundverständnisses die Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie zu begreifen. Angebote dafür gibt es vielzählige, von Büchern über Workshops und Seminaren bis hin zu Online-Tutorials, an denen Sie kostenlos teilnehmen können.